Burgkirchen. Vor 15 Jahren, im November 2006, hat die Umweltorganisation Greenpeace mit einer spektakulären Aktion im Industriepark Gendorf den öffentlichen Blick auf die gesundheitlichen Risiken der perfluorierten Tenside, insbesondere Perfluoroktansäure (PFOA), gelenkt. Und auch wenn sie schon lange nicht mehr produziert wird und im Einsatz ist, beschäftigt die potenziell krebserregende, aber auch anderweitig gesundheitsgefährdende Substanz die Bürger, Mediziner und Gesundheitsorganisationen, aber auch Behörden und Politik. Und 2021 kam ein neuer Aspekt hinzu. Die Frage nämlich, ob PFOA im Körper die Wirksamkeit einer Anti-Covid-Impfung beeinträchtigen könnte.
Nachdem 2017/18 bereits einmal ein PFOA-Blutmonitoring gemacht wurde und eine Wiederholung für nächstes Jahr sowieso geplant war, wird die Untersuchung ausgeweitet. Den Probanden werden auch Antikörperbestimmungen angeboten. Die Kosten für die Antikörper-Untersuchung werden im Rahmen der erweiterte Humanbiomonitoring-Untersuchung übernommen. Außerdem können die Landkreisbürger auch an der CoVaKo-Studie teilnehmen, bei der die allgemeine Wirksamkeit der Anti-Covid-Vakzine untersucht wird.
Die erweiterte Humanbiomonitoring-Untersuchung soll möglichst Anfang 2022 starten. „Das Studiendesign ist in Entwicklung. Bis dahin müssen noch wissenschaftliche Fragen geklärt werden und organisatorische Vorbereitungen erfolgen“, informierte Aleksander Szumilas, Sprecher des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), im November; das LGL ist im Auftrag des bayerischen Gesundheitsministeriums in dem Komplex federführend beauftragt. Die Altöttinger Kreisbehörden, insbesondere das Gesundheitsamt, sind in die Vorbereitungen eingebunden, heißt es aus dem Landratsamt.
Wie das Monitoring abgewickelt wird, ist noch ungeklärt – denn: Es fehlt an Personal, die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes sind seit Monaten Corona-überlastet. Er habe gegenüber dem Gesundheitsministerium deutlich gemacht, „dass wir das nicht stemmen können“, sagte Landrat Erwin Schneider im November; doch in München gebe es auch kein Personal.
Wie die Pressestelle des Landratsamtes auf eine aktuelle Anfrage erklärte, gebe es bezüglich des beschriebenen Sachstandes keine Veränderung. Bislang sei noch kein Zeitplan bekannt, wann die Untersuchungen stattfinden und wie genau sie abgewickelt werden sollen. Als vage Aussage aus München bleibt Jahresanfang 2022.
Im Kontext mit PFOA ging es 2021 nicht nur um die Belastung im menschlichen Körper, sondern auch um jenes des Bodens. Das Landratsamt hat im September eine Allgemeinverfügung zum Umgang mit verunreinigtem Bodenaushub erlassen. Betroffen sind von diesem Verwaltungsakt Gebiete der Städte Altötting, Neuötting und Burghausen sowie der Gemeinden Perach, Marktl, Haiming, Mehring, Emmerting, Burgkirchen, Halsbach, Garching, Unterneukirchen, Kastl und Tüßling.
Im Mittelpunkt steht die Frage, was im beschriebenen Gebiet mit Bodenaushub geschieht, der erhöhte Gehalte von PFOA aufweist. Ein vor knapp drei Jahren vorgestelltes Bodengutachten gilt als Handlungsgrundlage. Der reinen Lehre entsprechend müsste das Material, sobald es bewegt wurde, beprobt und auf die Schadstoffkonzentration hin untersucht werden. Bei entsprechender Belastung wären ein Abtransport und eine gesicherte Entsorgung zu veranlassen. Die Kosten hätte der Bauherr zu tragen und müsste dann versuchen, den Verursacher, die Firma Dyneon im Industriepark Gendorf, in die Pflicht zu nehmen.
Die Allgemeinverfügung richtet sich an alle Bauherren, die auf ihre Verantwortung eine bauliche Maßnahme, mit welcher Aushub PFOA-belasteten Bodens einhergeht, vorbereiten oder ausführen oder vorbereiten oder ausführen lassen. Die Allgemeinverfügung gilt für das festgesetzte PFOA-Belastungsgebiet mit seinen Außengrenzen. Zum PFOA-Belastungsgebiet werden Böden gezählt, deren B-Horizont (Unterboden) PFOA-Konzentrationen größer 0,1 Mikrogramm pro Liter im Eluat aufweist. PFOA-belasteter Boden darf nicht außerhalb des festgesetzten Belastungsgebietes eingebaut werden.
Innerhalb des Belastungsgebietes gibt es vier Zonen mit verschieden hohen Konzentrationsbereichen: Zone I 0,1bis 0,4 Mikrogramm pro Liter; Zone II 0,4 bis 1,0 Mikrogramm, Zone III 1,0 bis 10,0 Mikrogramm und Zone IV über 10,0 Mikrogramm pro Liter. Landratsamtssprecher Dr. Robert Müller konkretisiert, es gelte als zentrale Regel „Gleiches zu Gleichem“. Das heißt, Material kann ohne technische Sicherungsmaßnahmen wieder eingebaut werden, wenn die Bodenbelastung an der Zielstelle gleich hoch oder höher ist. An Stellen mit niedrigerer Belastung sind als derartige Maßnahmen, etwa Überbauung mit Gebäude, Parkplatz, Straße oder Bahntrassen, geeignet. Ähnlich vorsichtig ist die Zwischenlagerung geregelt. In den besonders geschützten Gebieten wie dem Bereich der Trinkwasserbrunnen im Öttinger Forst oder der FFH-Gebiete „Salzach und Unterer Inn“ und „Inn und Untere Alz“ ist kein Einbau von Material aus einem anderen Gebiet erlaubt. Ausgenommen von der Allgemeinverfügung ist die beabsichtigte Benutzung PFOA-belasteten Materials zur Errichtung baugenehmigungspflichtiger Aufschüttungen, wie z. B. Dämme und Wälle. Die Allgemeinverfügung sei als vorgezogener Teil des Sanierungskonzeptes zu sehen. Eine entsprechende Vereinbarung sei zwischen dem Freistaat, vertreten durch das Staatliche Landratsamt Altötting, und der Firma Dyneon im Industriepark Gendorf zu schließen.