Altötting. „Zum Kochen und für Tee nehme ich Leitungswasser, ansonsten trinke ich nur noch Wasser aus Flaschen“, sagt Frank Bremauer, Vertreter der Bürgerinitiative Netzwerk Trinkwasser (BINT). Grund dafür ist nicht nur die eigene Betroffenheit von der PFOA-Problematik, die seit Jahren im Landkreis Altötting Thema ist, sondern auch die vor knapp drei Wochen bekannt gemachte Verunreinigung von Trinkwasser durch HFPO-DA, auch GenX genannt.
Er und sein Mitstreiter Gerhard Merches fordern Aufklärung über Ursache und Verursacher und haben deshalb am 25. November Anzeige gegen Unbekannt bei der Kriminalpolizei Mühldorf erstattet. Wie Stefan Sonntag, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, auf Nachfrage des Anzeigers mitteilte, sei die Kripo für „Trinkwasserverunreinigungen im potenziell größeren Maße“ zuständig. Die Beamten der Kripo haben die Ermittlungen aufgenommen, sagt Sonntag, die Staatsanwaltschaft sei informiert und könne die Angelegenheit in eigener Zuständigkeit prüfen. „Als reiner Ehrenamtler ist man damit ja überfordert“, sagt Bremauer. Das Ziel der BINT: professionelle, behördliche Ermittlungen. Die vielen Mutmaßungen würden niemandem weiterhelfen. Zudem hat das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) die Chemikalie bereits 2020 im Flusswasser der Alz und 2021 im Trinkwasser im Landkreisbereich nachgewiesen.
Eine „katastrophale Kommunikation“ werfen die BINT-Vertreter den betroffenen Städten, die teilweise für die Wasserversorgung verantwortlich sind, sowie dem Landratsamt vor. Weder Altötting noch Neuötting hätten seit Bekanntgabe der GenX-Angelegenheit auf ihren Internetseiten informiert, kritisiert Bremauer. Und das Landratsamt habe die Infos des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erst eine Woche nach der Umweltausschusssitzung auf ihrer Webseite veröffentlicht.
Altöttings Bürgermeister Stephan Antwerpen sagt: „Uns Vorwürfe wegen der Kommunikation zu machen, ist nicht nachvollziehbar.“ Der Stadt sei vor der Umweltausschusssitzung nichts über die Messungen des Gesundheitsamtes von HFPO-DA bekannt gewesen. Zudem habe die Presse sachlich darüber berichtet. Für die Dezember-Ausgabe des Stadtblattes sei zum Zeitpunkt der Bekanntgabe bereits Redaktionsschluss gewesen, deshalb werde das in der Januar-Ausgabe aufgegriffen, kündigt Antwerpen an. „Wir sind erst am Anfang der Erkenntnisse“, sagt auch Neuöttings Bürgermeister Peter Haugeneder. Er verweist außerdem auf die Webseite des Landratsamts, auf welcher eine umfangreiche Erklärung abgegeben wird. „Mehr wissen wir auch nicht.“
Landratsamtssprecher Markus Huber erklärt, dass die Mitglieder des Umweltausschusses bereits in der Sitzung am 21. November über die Kontamination informiert worden sind und dort auch die Presse anwesend war. Zudem wurde die Angelegenheit in der Kreisausschusssitzung eine Woche später erneut thematisiert. Die Pressemitteilung des LGL sei erst Anfang Dezember verschickt worden, daraufhin habe das Landratsamt sofort reagiert und die Infos zur Verfügung gestellt, so Huber.
Frank Bremauer befürchtet darüber hinaus, dass der Leitwert für HFPO-DA (0,011 μg/l) künftig, wie es bei PFOA der Fall war, gesenkt werden könnte. Immerhin lag der höchste Messwert im Trinkwasser bei 0,009 μg/l – also nur knapp unter dem Leitwert, so Bremauer: „Das verunsichert die Bevölkerung.“Gerhard Merches wirft ein, dass die tägliche tolerierbare Aufnahmedosis auf Basis tierexperimenteller Untersuchungen der amerikanischen Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) und der niederländischen Behörde für öffentliche Gesundheit und Umweltschutz (RIVN) zwischen 3 und 21 ng/kg Körpergewicht liegt. Dazu Bremauer: „Grundsätzlich toleriere ich nicht, dass Gift in meinem Körper und im Trinkwasser ist. Ich finde es perfide von der Wissenschaft, dass man Werte vorgibt, die mein Körper tolerieren soll.“ Deshalb fordert er ein Verbot aller PFAS. Kritik üben die BINT-Vertreter auch daran, dass HFPO-DA beim Blutmonitoring nicht berücksichtigt wird.
Erleichtert sind sie, dass die Aktivkohlefilteranlagen auch HFPO-DA im Trinkwasser reduzieren können. Jedoch hoffen sie, dass das LGL und die Wasserversorger ihrer Verantwortung nachkommen und die Filter häufiger wechseln. Schließlich sei laut LGL noch nicht bekannt, ob eine dauerhafte Reduktion der Substanz unter den Leitwert technisch durchführbar ist. „Jeder muss selbst entscheiden, ob er das Wasser trinkt“, meinen die BINT-Vertreter. Gerhard Merches vertraut den Behörden, dass sie aus der PFOA-Problematik gelernt und den Leitwert für HFPO-DA vorsichtiger angesetzt haben. Er trinkt das Wasser aus der Leitung weiterhin. − mak/lkb, ANA 13.12.2022
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