Fragen an Staatsminister für Umwelt- und Verbraucherschutz, Dr. Marcel Huber

Heute hat die BINT an Dr. Marcel Huber geschrieben. Wir bitten ihn, uns eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten.

Zum Beispiel dazu:

Warum wurden Blutproben im Landkreis Altötting erst mit zehn Jahren Verspätung untersucht, obwohl es bereits im Juni 2006 von der Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit einschlägige Empfehlungen gab?

Und wir bitten den Umweltminister um ein Gespräch. Am Freitag, 1. Juni, denn da besucht er den Landkreis Altötting.

Schreiben an Dr. Marcel Huber, Minister für Umwelt und Verbraucherschutz:

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An den
Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz
Herrn Dr. Marcel Huber
Rosenkavalierplatz 2
81925 München

Bitte um Beantwortung der Fragen zum Trinkwasserschutz
im Landkreis Altötting

Sehr geehrter Herr Staatsminister Huber,

aus Presseberichten geht hervor, dass sich nun die Bayerische Staatsregierung auf Ihre Initiative hin verstärkt mit der Aufarbeitung der Geschehnisse bemüht, die zur Kontamination des Trinkwassers mit PFOA im Landkreis Altötting geführt haben.
Wir, die Bürgerinitiative Netzwerk Trinkwasser (BINT), begrüßen diese Absicht.

Wir möchten Sie bitten, bei dieser Aufarbeitung insbesondere folgende Frage zu beantworten:

1. Die Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit hat bereits am 23.Juni 2006 gefordert: „Gemäß TrinkwV (§6(3) – Minimierungsgebot) ist darüber hinaus und nach Maßgabe des vertretbaren Aufwandes die Unterschreitung des GOW von 0,1μg/l durch die Summe aller PFT anzustreben“. Im Landkreis Altötting wurde seit 2006 über einen Zeitraum von zehn Jahren ein jährlichermit Schwankungen kontinuierlicher Anstieg deutlich über 0,1 μg/l hinaus von den Behörden toleriert. Warum wurde die Forderung der Trinkwasserkommission nicht beachtet?

2. Die Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit hat ebenfalls bereits am 23. Juni 2006 gefordert: „Zusätzlich empfiehlt die TWK ein Human-Biomonitoring (HBM) von Blutproben von trinkwasserexponierten Bevölkerungsgruppen“. Warum wurde eine solche Untersuchung von Blutproben im Landkreis Altötting erst im Jahr 2015, also mit zehnjährigerVerspätung, durchgeführt?

3. Im Umweltbericht 2017 des Landratsamts Altötting, mit dem das Amt die Bevölkerung u.a. über potentielle Gefahren durch Umweltchemikalien informieren soll, heißt es zu PFOA: „Durch den langjährigen Einsatz von PFOA seit den sechziger Jahren liegen im Umfeld des Chemieparks Gendorf Belastungen der Umwelt mit PFOA vor, deren Risikopotenzial in den Jahren von 2006 bis 2009 zunächst durch umfangreiche Untersuchungsprogramme der zuständigen Behörden untersucht und vorläufig bewertet wurde. Eine Gefährdung der Bevölkerung konnte auf Grundlage dieser Untersuchungen und des damaligen Kenntnisstands ausgeschlossen werden.“
Obwohl die das Landratsamt Altötting die Ergebnisse der Blutuntersuchung von Bewohnern aus Emmerting bereits im Herbst 2016 kannte, wurden diese Ergebnisse im Umweltbericht 2017 mit keinem Wort erwähnt. Warum wurde die Bevölkerung nicht unmittelbar im Herbst 2016 durch Informationsveran-staltungen oder Presseerklärungen darüber informiert?

4. Gemäß der Niederschrift über die 6. Sitzung des Umweltausschusses im Landkreis Altötting am 17. Oktober
2016 hat Dr. Schuhbeck (Leiter des Gesundheitsamts Altötting) dieses Gremium über die Exposition der Bevölkerung mit PFOA wie folgt informiert: „Dr. Franz Schuhbeck: Die Hauptexposition der Menschen stammt nach seinem Kenntnisstand aus Stoffen, die diese Chemikalien enthalten, wie zum Beispiel Funktionskleidung,Teppiche, Tischdecken, Feuerlöschschäume etc…“

Prof. Fromme vom LGL hat in seiner Informationsveranstaltung in Emmerting im November 2017 klargestellt, dass die Hauptexposition der Bevölkerung aus dem Trinkwasser stammt. Zum Schutz der Bevölkerung müssten die Expositionsquellen schnell geschlossen werden. Warum wurden der Umweltausschuss des LK Altötting und auch die Bevölkerung über den Hauptexpositionspfad nicht sachgerecht informiert, obwohl diese Kenntnisse den Experten schon seit 2002 durch Untersuchungen in den USA vorliegen?

5. Das Verwaltungsgericht Arnsberg (VG Arnsberg · Urteil vom 22. Juni 2009 · Az. 14 K 2826/08 ) hat bereits 2009 klar bestätigt, dass hinsichtlich PFOA eine Minimierung im Trinkwasser stattfinden soll: „Auf der Grundlage der vorstehend zitierten Erkenntnisse, die namentlich die lange Verweildauer der Substanzen im menschlichen Körper belegen, ist es im Interesse der menschlichen Gesundheit geboten, das Trinkwasser so gut wie eben möglich von PFT frei zu halten.“

Warum wurde die existierende deutsche Rechtsprechung hinsichtlich PFOA Minimierung in Bayern nicht beachtet?

6. In der TrinkwV §6(3) heißt es: „Konzentrationen von chemischen Stoffen, die das Trinkwasser verunreinigen
oder seine Beschaffenheit nachteilig beeinflussen können, sollen so niedrig gehalten werden, wie dies nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik mit vertretbarem Aufwand unter Berücksichtigung von Einzelfällen möglich ist.“ Durch welche konkreten Maßnahmen will die BayerischeStaatsregierung in Zukunft sicherstellen, dass dieses Minimierungsgebot für PFOA und ähnliche Chemikalien und auch für Nitrat, Pestizide (wie z.B. Glyphosat und Additive in glyphosathaltigen Präparaten) und Antibiotika (aus Massentier-haltung oder Kläranlagen) konsequent zur Anwendung kommt?

7. In der Drucksache 17/20695 der Bayerischen Staatsregierung werden auf Seite 34 Angaben zu PFOA-Mengen
im Boden im Gebiet Gendorf gemacht. Wann und wo wurden diese Werte gemessen?
https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17 /Drucksachen/Basisdrucksachen/0000014000/0000014010.pdf

Auszug aus Seite 34:
Industriestandorte
Lkr. Altötting, Gde. Burgkirchen an der Alz
Boden (Eluat): PFOA ca. 54,1 μg/l
Grundwasser:
PFOA 114 μg/l
Oberflächengewässer:
PFOA ca. 8 μg/l
Bearbeitungsstand: Untersuchung

Wir freuen uns über Ihre Initiative und auf eine Beantwortung unserer Fragen. Wie wir der Presse entnommen haben, sind Sie am Freitag, 1. Juni, zu Gast im Landkreis Altötting. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich die Zeit für ein gemeinsames Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der BINT nehmen könnten. Bitte lassen Sie uns wissen, welcher Zeitraum dafür an diesem 1. Juni für Sie günstig ist. Wir erlauben uns, diesen Brief auch an die Medien zu übergeben.

Mit freundlichen Grüßen

Sofie Voit
Sprecherin

Im Auftrag der
Bürgerinitiative Netzwerk Trinkwasser
www.bint.bayern

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