„Zeit sinnvoller und zielorientierter nutzen“

Zum Artikel „Da darf nicht geschlampt werden“ vom 3. Oktober:

„Die deutliche Absenkung der tolerierbaren wöchentlichen Aufnahmemengen von PFOA (tolerable weekly intakes (TWI)) durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zeigt, dass die Auswirkungen auf den menschlichen Organismus und das gesundheitliche Gefährdungspotential größer sind als bislang angenommen. Kam das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) im Jahr 2008 noch zu der Einschätzung, dass ein gesundheitliches Risiko durch die derzeitige Exposition gegenüber PFOA über Lebensmittel unwahrscheinlich ist, kann dies jetzt, selbst bei normaler Hintergrundbelastung, wie sie z.B. in München vorliegt, nicht mehr aufrechterhalten werden.

Wie muss dann erst das gesundheitliche Risiko der ca. 54 000 betroffenen Kinder und Erwachsenen (etwa die Hälfte der Bevölkerung des Landkreises Altötting) bewertet werden, deren mittlerer PFOA-Blutsspiegel von etwa 20 Mikrogramm/l zehnmal über dem von München und deutlich über dem, als gesundheitlich unbedenklich geltenden, HBM-I-Wert von 2 Mikrogramm/l liegt?

Eine Abnahme dieser internen Belastung, die aufgrund der dokumentierten Toxizität von PFOA und anderer Per- und Polyfluoralkylsubstanzen unbedingt erforderlich ist, ist nur möglich, wenn eine weitgehende Minimierung der Aufnahme durch Lebensmittel und insbesondere durch Trinkwasser als wesentlichen Belastungspfad gelingt. Dies setzt voraus, dass die PFOA-Konzentration im Trinkwasser dauerhaft auf einen Wert kleiner/gleich 0,01 Mikrogramm/l und damit auf 1/10 des Trinkwasserleitwertes abgesenkt werden muss. Nur so lässt sich mittelfristig eine interne Belastung erreichen, die sicherstellt, dass der HBM-I-Wert nicht mehr überschritten wird. Dies ist vor allem für Schwangere und stillende Mütter von besonderer Bedeutung. Denn PFOA wird bereits diaplazentar auf den Embryo bzw. Fetus übertragen, geht in die Muttermilch über und reichert sich während der Stillperiode im kindlichen Organismus an. Ein Angleich dieser erhöhten kindlichen PFOA-Plasmakonzentrationen an die der Mütter findet erst im Alter von etwa 12 Jahren statt. Damit wirkt eine deutlich über dem Hintergrundbereich liegende interne PFOA-Belastung von der intrauterinen Entwicklung über die gesamte Wachstums- und Reifungsphase auf den kindlichen Organismus ein. Um diese Belastung muss man sich Sorgen machen.

Vor diesem Hintergrund ist es verwunderlich, dass politische Entscheidungsträger nichts Wichtigeres zu tun haben als sich mit der Frage zu beschäftigen, ‚welches Kind schon einen Liter Leitungswasser pro Tag trinke‘, wie bei der letzten Sitzung im Kreisausschuss geschehen. Damit die Zeit sinnvoller, problem- und zielorientierter zum Wohl der Landkreisbevölkerung genutzt werden kann, sei abschließend angemerkt, dass ein normalgewichtiges sechs- bis siebenjähriges Kind mit einem Gewicht von 23,6 Kilogramm als Richtwert täglich etwa 940ml Wasser in Form von Getränken und 480ml in Form von festen Nahrungsmitteln aufnimmt.“

Dr. Ludwig Käsbauer, Kinderarzt, Altötting,

aus dem Leserbrief im Alt-Neuöttinger Anzeiger vom Dienstag, 8. Oktober 2019

Share This