von Paul Kannamüller , am Freitag, 16.03.2018 – 12:28 Uhr

Löschschaum mit giftigem PFC in Manching: Landwirte wehren sich, bündeln ihre Interessen und gehen anwaltlich gegen die Bundeswehr vor.

Erhebliche Ernteeinbußen befürchten die Landwirte in Westenhausen, wenn sie in Trockenperioden nicht mehr beregnen dürfen. © Paul Kannamüller

Es ist gut, wenn die Feuerwehr möglichst schnell am Einsatzort ist, um zu löschen und zu helfen. Bei der Flughafenfeuerwehr in Manching ist das nicht anders als draußen irgendwo am Dorf. Nur verwendete die Feuerwehr des Manchinger Flugplatzes bei Einsätzen und insbesondere bei den regelmäßig stattfindenden Übungen über Jahrzehnte reichlich Mengen an Löschschaum mit giftigen poly- und perfluorierten Chemikalien (PFC), die im Laufe der Zeit ins Grundwasser sickerten und sich dort anreicherten – mit erheblichen Konsequenzen für die dort ansässigen landwirtschaftlichen Betriebe.
Die Landwirte und Grundstückseigentümer haben in der Zwischenzeit die Interessengemeinschaft (IG) PFC-Westenhausen gegründet und gehen nun auch anwaltlich gegen den Verursacher – die Bundeswehr – vor. Für IG-Sprecher Peter Plank ist das Vorgehen der Verantwortlichen ein klassisches Beispiel dafür, wie man den Schwarzen Peter elegant an die Landwirte weiterreicht und sich so „dem Problem“ entledigt. „Wir haben einen mächtigen Gegner, aber der darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen“, befindet etwa auch BBV-Geschäftsführerin Erika Meyer.
Wissenschaftler schließen jedenfalls nicht aus, dass PFC-Verbindungen auch dem Menschen schaden können. Und Forscher der TU München warnen davor, dass bereits kleinste Konzentrationen beim Menschen gesundheitsschädigende Auswirkungen haben könnten. PFC gelten als stark wasserabweisend und finden sich beispielsweise auch in regenfester Kleidung und Teflonpfannen. Die Bundeswehr hat poly- und perfluorierte Chemikalien auf ihren Flugplätzen eingesetzt – über viele Jahre hinweg eben auch im oberbayerischen Manching.

Bewässerung in Trockenperioden

Ortstermin Flughafen Manching: IG-Sprecher Peter Plank erläutert die missliche Situation. © Paul Kannamüller

Das Grundwasser ist deshalb belastet und die betroffenen Grundstückseigentümer und Landwirte stellen sich die Frage, wer denn nun für den Schaden aufkommen bzw. wie das Problem gelöst werden soll. Viele Landwirte im Umgriff des Flughafens bewässern nämlich in Trockenperioden ihre Kulturen, um eine ausreichende Ernte sicherzustellen. „Wasser haben wir in ausreichender Menge, aber wir sollen es nicht mehr verwenden“, sagt IG-Sprecher Plank. Viele Landwirte fürchten natürlich auch um ihre Existenz, wenn sie ihre Erzeugnisse nicht mehr absetzen können.
Um sich mit ihrem Problem mehr Gehör zu verschaffen, haben die Westenhausener Landwirte nun auch eine Interessengemeinschaft gegründet, der sich inzwischen rund 60 Grundeigentümer und Landwirte angeschlossen haben. „Die Verunsicherung ist groß, seit das Landrats­amt die Empfehlung herausgegeben hat, die Felder nicht mehr zu bewässern“, sagt IG-Sprecher Plank. Nicht zuletzt befürchtet er einen riesigen Imageverlust für den Agrarstandort Westenhausen.
Seit 2015 gibt es sogenannte „Runde Tische“, an denen Vertreter des Landratsamtes Pfaffenhofen, der betroffenen Fachbehörden und auch Vertreter der Bundeswehr teilnehmen. Zudem werden seit mehreren Jahren zur Gefährdungsabschätzung intensive Detailuntersuchungen durchgeführt mit dem Ergebnis, dass der „vorläufige“ Schwellenwert für das Grundwasser nach den PFC-Leitlinien (Stand April 2017) bei zahlreichen landwirtschaftlichen Brunnen und Hausbrunnen überschritten wird. Daraufhin hat das Landratsamt Pfaffenhofen die Nutzer der kontaminierten Brunnen über die Gefahrenlage schriftlich in Kenntnis gesetzt.
Die Fachbehörden gaben schließlich an die Landwirte die „dringende Empfehlung“ heraus, künftig von Bewässerungen abzusehen, weil sie die Verantwortung trügen beim Inverkehrbringen ihrer Erzeugnisse. Für die Landwirte in Westenhausen bedeutet dies schlussendlich, „dass sie Gefahr laufen, ihre Pflanzen und die Böden mit den Chemikalien zu verseuchen, wenn sie sie mit PFC-belastetem Wasser bewässern“. Bisher seien die Früchte auf den Äckern rund um den Ort jedoch noch nicht betroffen, wie Ernteuntersuchungen ergeben haben. Nichtsdestotrotz spricht man in Kreisen der Landwirtschaft von einer „Entwertung“ des Eigentums.
Am Zaun des Militärflughafens, der von der Bundeswehr betrieben wird, erklärt Peter Plank, dass die Feuerwehr dort seit den 1970er-Jahren PFC-haltigen Löschschaum in Übungen und Einsätzen verwendet hat. Er selbst betreibt auf seinen Flächen Ackerbau, erntet unter anderem Getreide, Zuckerrüben und Kartoffeln. Seit 2011 ist PFC zwar nicht mehr in Löschschäumen enthalten, aber das Gift ist nun ins Grundwasser gesickert. Der Landwirt fürchtet vor allem einen heißen Sommer: „Wenn wir nicht beregnen dürfen, haben wir eine Ertragsschwankung von bis zu 100 Prozent, bei der Zuckerrübe zum Beispiel.“

Briefe an Bundestags-Abgeordnete

Inzwischen wurde von der Inte­ressengemeinschaft auch die Rechtsanwaltsgesellschaft „Landvokat“ (München) eingeschaltet, die sich in der Angelegenheit an die örtlichen Bundestagsabgeordneten Dr. Reinhard Brandl (Ingolstadt) und Erich Irlstorfer (Freising) wandte. Tenor des Schreibens: „Anstatt dass die Bundeswehr die Verantwortung übernimmt und den kontaminierten Boden austauscht (Verursacherprinzip), wird die Verantwortung auf die Landwirte abgewälzt.“ Für die privaten Hauseigentümer seien die Einschränkungen bei Weitem nicht so belastend wie für Landwirte, „die ihre kontaminierten Brunnen zur Bewässerung ihrer landwirtschaftlichen Nutzflächen dringend benötigen“.
Rechtsanwalt Johannes Daseking beklagt durch die fortlaufende Kontamination des Grundwassers vor allem auch den erheblichen Schaden für den Agrarstandort Westenhausen. Da inzwischen mehrere Jahre vergangen seien seit der erstmaligen Feststellung der Kontamination, bis heute jedoch kein Sanierungskonzept vonseiten der Bundeswehr vorgelegt wurde, fühlen sich die Betroffenen von der Verwaltung und der Politik alleingelassen, wie es heißt. Im Einzugsbereich des Militärflughafens sind nach Angaben der Interessengemeinschaft rund 400 ha von der PFC-Kontamination beeinträchtigt. Die Kosten für ein Bewässerungssystem, das Grundwasser aus unbelasteten Brunnen entnimmt, werden mit rund 1,9 Mio. € veranschlagt.
Das Problem mit PFC-belasteten Böden besteht in Bayern an mehreren Orten. Laut Bayerischem Landesamt für Umwelt (LfU) gibt es im Freistaat derzeit rund 20 Verdachtsfälle, die untersucht werden. Dabei handelt es sich um Flächen rund um Flughäfen, zum Beispiel in Nürnberg oder München; aber auch Privatgelände seien betroffen.
Es gab vor etwa zehn Jahren aber auch schon bayernweite Untersuchungen von 51 privaten und landwirtschaftlich genutzten Grundwasserbrunnen, wobei in 13 Fällen per- und polyfluorierte Verbindungen nachgewiesen werden konnten. Die festgestellten PFC-Konzentrationen lagen aber deutlich unter dem Schwellenwert für Trinkwasser von 100 ng/l, hieß es.

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